Zentralbanken straffen gelpolitische Zügel mit höheren Zinsen stärker als erwartet
In einem uneinheitlichen Stimmungsumfeld entwickelt sich die Konjunktur relativ gut und zwingt Währungshüter restriktiver zu agieren. Für die Wirtschaft dürfte dies verkraftbar sein.
28. Juni 2023
Zum Ende des ersten Halbjahres 2023 und kurz vor den Sommerferien bleibt die wirtschaftliche Grosswetterlage weitgehend unverändert. Auf der einen Seite mehren und verdeutlichen sich die Anzeichen einer konjunkturellen Abschwächung. Dies gilt in erster Linie für viele Stimmungsindikatoren der Unternehmen.
Auch in der Schweiz hat beispielsweise der Einkaufsmanagerindex für den Monat Mai mit 43,2 Punkten den tiefsten Stand seit Juni 2020 erreicht. Die Schwäche in den Bestellungseingängen scheint sich zunehmend auch negativ auf die Produktion der verschiedenen Firmen auszuwirken.
Andererseits konsumieren die privaten Haushalte auch im Frühsommer 2023 mehr als von vielen Beobachterinnen und Beobachtern erwartet wurde.
Arbeitsmarkt bleibt stabil
Zwei Gründe scheinen zentral für diese Entwicklung. Zum einen bleibt die Arbeitsmarktsituation in den wichtigsten Industrieländern bemerkenswert stabil. Ein starker Anstieg der Arbeitslosenzahlen, wie dies verschiedentlich prognostiziert wurde, hat bis dato (noch) nicht stattgefunden. Zum anderen zehren die privaten Haushalte weiterhin von Jahren von tiefen und negativen Inflationsraten und gleichzeitig gestiegenen Einkommen, respektive Vermögen.
Unter dem Strich dürfte trotz immer deutlicherem konjunkturellem Gegenwind auch das zweite Quartal des Jahres 2023 besser ausgefallen sein, als dies am Jahresanfang befürchtet wurde. In diesem Sinne hat zuletzt auch das Staatsekretariat für Wirtschaft der Schweiz (Seco) mit seinen jüngsten Prognosen, die Aussichten für den privaten Konsum in der Schweiz ein weiteres Mal nach oben revidiert.
Ähnlich verhält es sich mit den in der Schweiz getätigten Investitionen und den Güterexporten aus der Schweiz. Beide BIP-Komponenten wurden angesichts der Informationen aus dem ersten Halbjahr 2023 nach oben revidiert. Einzig bei den Bauinvestitionen erwarten die Ökonomen des Seco erst wieder für das Jahr 2024 eine deutliche Beschleunigung der Aktivitäten. Gemäss diesen Prognosen entwickelt sich also die Binnenwirtschaft der Schweiz deutlich besser als noch zu Beginn des Jahres 2023 erwartet wurde.
Wie immer in solchen Situationen führt eine stärkere Binnenwirtschaft in der Schweiz auch zu einem Anstieg der Importe. Ein Faktor der sich negativ auf das BIP-Wachstum der Schweiz auswirkt. Dieser Umstand ist in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit der Entwicklung in vielen anderen westlichen Volkswirtschaften.
In diesem Umfeld haben die verschiedenen Zentralbanken ihre jüngsten geldpolitischen Entscheidungen getroffen. Diese sind entsprechend der nach oben revidierten Wachstumsprognosen mehrheitlich etwas restriktiver ausgefallen als dies noch zum Ende des ersten Quartals erwartet wurde.
US-Notenbank legt eine Pause ein
So hat zwar die US-Notenbank Fed Mitte Juni nach mehreren Zinserhöhungen in Folge darauf verzichtet, die Zinsen ein weiteres Mal zu erhöhen. Deren Vorsitzender Jerome Powell hat aber darauf hingewiesen, dass weitere Zinssatzerhöhungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht endgültig vom Tisch seien.
Ähnlich haben sich auch Christine Lagarde von der EZB und nicht zuletzt auch Thomas Jordan von der SNB geäussert. Im Gegensatz zur US-Fed haben diese beiden Institute ihre Leitzinsen zuletzt ein weiteres Mal um 25 Basispunkte angehoben. Gar eine Zinssatzerhöhung um ein halbes Prozent hat nach deutlich höheren Inflationszahlen England erfahren. Zusätzliche Zinssatzerhöhungen als Folge einer besser als erwarteten Wirtschaftslage werden von den Märkten zu Recht nicht als eine problematische Entwicklung wahrgenommen.
Selbstverständlich können nicht alle Branchen und Unternehmen im gleichen Umfang vom aktuellen wirtschaftlichen Umfeld profitieren. Das Gros der Unternehmen scheint aber auch zur Jahresmitte gut unterwegs zu sein. Dies äussert sich nicht zuletzt in den erhöhten Aktivitäten im Bereich der Unternehmensfusionen und ähnlichen Aktivitäten.
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3. Oktober 2024
«Ein Emergency Cut, der nicht angezeigt war»
Die US-Notenbank Fed vollzog mit der Zinssenkung um ganze 50 Basispunkte im September 2024 einen «Emergency Cut», der eigentlich gar nicht angezeigt gewesen wäre. Die Märkte reagierten gnädig und erhalten nun auch noch Unterstützung von der Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank, die allerdings mit der Liquiditätsverknappung gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch wieder in Schach hält.
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