Der Kurswechsel bei den Zinsen verändert das wirtschaftliche Umfeld grundlegend

Immer mehr Zentralbanken erhöhen die Zinsen. In der Schweiz dürfte die Nationalbank im kommenden Jahr reagieren. Das hat realwirtschaftliche Folgen.

31. März 2022

Kurswechsel Zinspolitik 1920X1080px

Die Kursänderung in der Zinspolitik verändert die wirtschaftlichen Realität. Neben den Rohstoffpreisen werden auch die Kosten für Hausbesitzer in die Höhe klettern. (Bild: Adobe Stock)

Seit vergangenem Sommer hat sich die Rhetorik der wichtigsten Zentralbanken der Welt geändert. Vermehrt wurde seit jenem Zeitpunkt auf die möglicherweise länger anhaltende Inflation hingewiesen. In der Konsequenz ist es nur folgerichtig, dass die Finanzmärkte sich auf steigende Geldmarktzinsen einrichten. Nachdem in den letzten Monaten bereits verschiedene Zentralbanken beispielweise aus England oder Neuseeland die Zinsen erhöht haben, hat anlässlich seines März-Treffens auch der Offenmarktausschuss der US-Zentralbank Fed, das FOMC, die Zinsen ein erstes Mal um 0,25 Prozentpunkte angehoben. 

Auch wenn die Zentralbanken aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Folgen der militärischen Invasion Russlands in die Ukraine von gedämpften Wachstumsaussichten ausgehen, befürchten sie, dass die Inflation und vor allem auch die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen könnten. In den letzten Wochen hat sogar die Europäische Zentralbank (EZB) explizit dieses Thema angesprochen. Es besteht denn auch die Möglichkeit, dass erste Zinserhöhungen der EZB noch vor Ende 2022 erfolgen könnten.

Höhere Energiepreise als Treiber

Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat Mitte März ihre geldpolitische Lagebeurteilung veröffentlicht. Im Vergleich zu den Wortmeldungen der anderen Zentralbanken ist die Einschätzung der SNB bemerkenswert moderat ausgefallen. Auch die SNB rechnet für die Zukunft mit höheren Inflationswerten. Da diese aber in erster Linie von höheren Energiepreisen getrieben sind, geht die SNB in ihrer aktuellen bedingten Inflationsprognose davon aus, dass die Inflation vorübergehender Natur sei. Bereits zu Beginn des Jahres 2023 wird erwartet, dass die Inflation unter die Marke von plus 1,5 Prozent fallen werde. Auch wenn die SNB-Prognose Ende 2024 wieder mit leicht steigenden Inflationswerten rechnet, liegen diese mit einem Wert von rund 1,5 Prozent in einem Bereich, welcher der SNB keinen erhöhten Ruhepuls verursacht.

Dagegen weist die SNB auch in ihrem jüngsten Statement auf die hohe Bewertung des Schweizer Frankens hin. Dabei berücksichtigt die SNB aber explizit auch den Inflationsunterschied zum Ausland. Da die Inflation in der Schweiz auch zum Ende des ersten Quartals 2022 deutlich unter den vergleichbaren Inflationsraten der wichtigsten Handelspartner liegt, ist dies gleichzusetzen mit der Einschätzung, dass die SNB bereit ist, eine gewisse Aufwertung des Aussenwertes des Schweizerfrankens zu tolerieren. Dies wohl auch mit der Hoffnung, dass sich die Zinsdifferenz gerade zu der EUR-Zinskurve wieder etwas vergrössert.

In der Schweiz weniger prononciert

Die SNB versucht also in Zukunft wohl etwas expliziter als in den letzten Jahren ihre Geldpolitik über eine Kombination von Geldmarktzinsen und Wechselkurs zu steuern. Für die CHF-Zinsen bedeutet dies, dass sie wohl später und eher weniger prononciert als die EUR-Zinsen ansteigen dürften. Allgemein rechnen Ökonomen erst für die erste Hälfte des Jahres 2023 mit ersten Zinserhöhungen durch die SNB. Wir teilen diese Einschätzung. Erfahrungsgemäss dürften diese dann auch weniger ausgeprägt ausfallend, als dies von den Finanzmärkten im Vorfeld erwartet wird.

Die zuletzt erfolgte Wende hin zu höheren Zinsen dürfte durchaus Bestand haben. Trotzdem scheint die Zinskurve in der Schweiz Zinserhöhungen seitens der SNB etwas forsch vorwegzunehmen. Dabei folgt sie im Wesentlichen der Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten. Dem Faktor des Frankenwechselkurses messen die Finanzmärkte offensichtlich etwas weniger Bedeutung zu als die SNB.

Für Immobilienbesitzer bedeutet die aktuelle Situation an den Finanzmärkten aber, dass sie sich wohl oder übel auf steigende Hypothekarzinsen einrichten müssen. Nach Jahren mit tiefen und über weite Teile auch sinkenden Zinsen, müssen Immobilienbesitzer höhere Finanzierungskosten tragen. Da in den letzten Jahren aber nicht nur die Immobilienpreise, sondern in der Folge auch die Verschuldungsniveaus vieler privater Haushalte angestiegen sind, bedeutet dieser Zinsanstieg doch eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Realität. Dies just zu einem Zeitpunkt, zu dem auch die Konsumentenpreise beispielsweise für Nahrungsmittel oder für Benzin substantiell ansteigen dürften.

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