«Stay-at-home»-Ökonomie: Die neue Wirtschaftsordnung wird auch 2021 prägen

Corona hat die Wirtschaft zweigeteilt: Firmen der «Stay-at-home»-Ökonomie überflügeln an der Börse die Covid-19-Verlierer. Der Graben wird sich so schnell nicht schliessen.

6. Januar 2021

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Das Haus als Ordnungsmacht: Die Corona-Krise hat ganz neue Gruppierungen von Profiteuren ergeben, die sich nicht an den gängigen Sektoren orientieren. (Bild: Ehimetalor Akhere Unuabona/Unsplash)

Der Jahreswechsel bringt es mit sich, dass wir die letzten zwölf Monate Revue passieren lassen und uns gleichzeitig die Frage stellen, was das kommende Jahr alles bringen wird. Dabei bleibt uns das Jahr 2020 als Jahr der Extreme in Erinnerung. In wirtschaftlicher, vor allem aber in gesellschaftlicher Hinsicht brachte es eine eigentliche Zäsur mit sich. Klar, dass 2020 das Jahr von Corona ist. 

Die letzten Wochen brachten vielerorts noch einmal eine deutliche Anpassung der Wirtschaftsprognosen. Die wichtigsten Institute haben dabei ihre Wachstumserwartungen für das kommende Jahr 2021 nach unten revidiert. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Dies liegt mit Sicherheit an einer Reihe neuer Lockdown-Massnahmen, die angesichts weiterhin hoher Corona-Fallzahlen zuletzt in vielen Industrieländern eingeführt wurden. Diese Massnahmen führen dazu, dass zum Jahresende 2020 die wirtschaftlichen Aktivitäten noch einmal deutlich reduziert werden. Auch aus ökonomischer Sicht spricht vieles dafür, dass gerade die wirtschaftlich ruhigen Wochen um die Feiertage dazu genützt werden, die Corona-Fallzahlen zu reduzieren. 

Deutlich nach oben korrigiert

So paradox es auch klingen mag: Neben diesen wachstumsdämpfenden Argumenten gibt es durchaus auch positive Gründe für die tieferen Wachstumsprognosen für das kommende Jahr. So wurden nach einem besser als erwarteten dritten Quartal 2020 querbeet die Konjunkturerwartungen für das laufende Jahr deutlich nach oben revidiert. Auch wenn solche Prognoseänderungen in den letzten Tagen jeden Jahres zu Recht nur anekdotische Bedeutung haben, führen sie dennoch dazu, dass rein technisch die darauf folgenden Jahreswachstumsraten nach unten revidiert werden müssen. Ökonomen kennen dieses Phänomen unter dem Begriff des Basiseffektes. Übersetzt heisst dies: Wer weniger weit ins Wirtschaftstal hinunter steigt, dem fällt es in der Folge schwerer wieder deutlich an Höhe zu gewinnen. Alle Konjunkturprognosen für das Jahr 2021 haben gemeinsam, dass sie 1.) von einem Wachstum über Trend für das kommende Jahr ausgehen. 2.) Auch für die Folgejahre 2022 und 2023 rechnen die meisten Prognostiker mit einem deutlich überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum. 3.) Angesichts anhaltender Überkapazitäten wird allgemein mit anhaltend tiefen Inflationsraten gerechnet. Die Hoffnungen über einen flächendeckenden Einsatz von Impfungen stützen ein solches Szenario zusätzlich. Die Folgen eines solchen Szenarios sind weiterhin expansive Zentralbanken und damit anhaltend tiefe Zinsen. Folglich bedeutet dies ein weiterhin konstruktives Umfeld für Aktienanlagen. 

So weit, so gut! Auch wenn verschiedene Konjunkturindikatoren bereits Rekordwerte aufwiesen, die Entwicklungen in einzelnen Teilbereichen der Wirtschaft waren noch viel dynamischer. Während der internationale Tourismus und die damit verbundenen Dienstleistungen über das Jahr weitestgehend zum Erliegen gekommen sind, verzeichnete die «Stay-at-home»-Ökonomie in den letzten Monaten phänomenale Zuwachsraten. Besonders spannend dabei, dass sich dadurch ganz neue Gruppierungen von Profiteuren ergeben, die sich beispielsweise bei Aktienanlagen nicht an den gängigen Sektoren orientieren. Innert weniger Tage haben sich neue Gräben unter den verschiedenen Akteuren in der Wirtschaft aufgetan. Nicht überraschend hatte dies auch Auswirkungen für Anleger. Positiv im Fokus standen 2020 über weite Teile der Technologie- und der Gesundheitssektor.

Zurück in die Wachstumsspur

Die Frage stellt sich nun, wie sich die Situation in den nächsten Monaten darstellen wird. Wie gesehen, besteht wenig Zweifel, dass die Weltwirtschaft in den nächsten Monaten zurück in die Wachstumsspur finden wird. Wird die Zweiteilung der Wirtschaft, die wir in den letzten Monaten beobachtet haben, wieder zurückgeführt in eine Richtung, wie wir sie vor Ausbruch der Corona-Krise hatten? Oder wird sich diese Entwicklung und damit die Kursentwicklung der entsprechenden Aktien in den nächsten Monaten weiter akzentuieren?

In unseren Augen spricht zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig für eine «Normalisierung» hin zum Wirtschaften «Vor-Corona». Wir alle haben in der Zwischenzeit die Vorteile kennengelernt die Videokonferenzen, «Homeoffice», etc. mit sich bringen. Viele dieser Entwicklungen entsprechen auch den langfristigen Megatrends der Digitalisierung oder Individualisierung. Gleichzeitig vermissen wir beispielsweise gerade auch in der aktuellen Ferienzeit die Schönheiten des internationalen Tourismus und andere Formen des sozialen Kontakts. Die damit verbundenen Industrien dürften im Rahmen einer Normalisierung der Corona-Situation in den nächsten Quartalen ebenfalls wieder Wachstumsraten aufweisen. 

Für Anleger bedeutet dies wohl, dass es in den nächsten Monaten keine klare Out-Performance einzelner Sektoren geben dürfte. Auf Tage mit steigenden Kursen von Aktien aus dem Tech- respektive dem Gesundheitssektor dürften Tage mit höheren Bewertungen für zyklische Titel folgen. Ein gegenseitiges Hochschaukeln der Kurse wäre die Folge.

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