Das neue Zinsregime konfrontiert Immobilien­besitzende mit steigenden Finanzierungskosten

Die restriktivere Geldpolitik führte in der Schweiz in kurzer Zeit zu einer Verdoppelung der Hypothekarzinsen. Von einer Abkühlung des Immobilienmarktes ist auszugehen.

30. Juni 2022

Neue Rahmenbedingungen für den Immobilienmarkt 1920X1080px

Zentralbanken schaffen neue Tatsachen für Eigenheimbesitzende: Die Hypo­zinsen sind in den letzten Jahren nie ähnlich schnell und stark gestiegen wie derzeit. (Bild: Adobe Stock)

Das erste Halbjahr 2022 brachte eine Reihe von neuen Entwicklungen für die Realwirtschaft und die Finanzmärkte. So sind, ausgehend von einer grundlegend geänderten Einschätzung der Preissituation in den wichtigsten Volkswirtschaften, die Zinsen in einem Masse angestiegen, wie dies zu Beginn des Jahres nur wenige Beobachter erwartet hätten.

Im Vordergrund steht bei dieser Entwicklung das solide Wirtschaftswachstum insbesondere in den industrialisierten Nationen. Befeuert von einer überaus expansiven Geldpolitik hat die Erholung nach den Corona-Jahren sehr viel mehr Fahrt aufgenommen, als dies wohl auch die Vertreter der grossen Zentralbanken rund um den Globus erwartet haben. Dies äussert sich nicht zuletzt in einer für Arbeitnehmende deutlich verbesserten Situation auf dem Arbeitsmarkt und damit einhergehend in deutlich gestiegenen Lohnerwartungen.

Rekordwerte bei offenen Stellen

Besonders augenfällig ist diese Entwicklung in den USA. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich aber auch in vielen anderen Volkswirtschaften beobachten. Obwohl die Schweizerische Nationalbank (SNB) hierzulande während der Corona-Pandemie der Wirtschaft viel zurückhaltender Geld zur Verfügung gestellt hat, erreicht die Zahl der gemeldeten offenen Stellen neue Rekordwerte und die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich gesunken. In absoluten Zahlen nähern sich die Werte dieser beiden Zahlenreihen beständig an. Überlagert wird diese Entwicklung durch die gestiegenen Preise für natürliche Ressourcen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und den damit verbundenen Sanktionen gegenüber Russland. 

Die gestiegenen Zinsen sind die logische Konsequenz. Einerseits haben die Zentralbanken wohl etwas spät aber dafür besonders heftig reagiert und die Zinsen grossmehrheitlich deutlich angehoben. Eine Zinserhöhung um drei Viertel Prozentpunkte, wie dies die US-Fed im Juni beschlossen hat, ist die grösste Zinserhöhung seit 1994. Aber auch die von der SNB im gleichen Monat beschlossene Zinserhöhung um 50 Basispunkte ist die prononcierteste Zinserhöhung seit zwanzig Jahren. Es sind aber nicht nur die kurzfristigen Geldmarktzinsen, die in den letzten Wochen und Monaten stark angestiegen sind. Einen starken Anstieg verzeichnete auch das lange Ende der verschiedenen Zinskurven.

Fünfjährige Hypotheken auf höchstem Stand seit zehn Jahren

Vor allem auch die zuletzt deutlich gestiegenen Hypothekarzinsen werden für das Portemonnaie der Schweizerinnen und Schweizer von Bedeutung sein. Während beispielsweise die SNB für fünfjährige Hypotheken in den letzten Jahren Sätze zwischen 1 und 1,5 Prozent ausgewiesen hat, hat sich dieser Satz in den letzten Wochen und Monaten deutlich erhöht und die höchsten Werte seit rund zehn Jahren erreicht. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass die Hypothekarzinsen in den letzten Jahren nie auch nur annähernd ähnlich schnell und vergleichbar stark angestiegen sind. Die Zinslast hat sich damit innert kürzester Frist rund verdoppelt.

Die Folgen für den Markt für Privatimmobilien sind klar. Trotz guter Situation am Arbeitsmarkt ist mit einer sinkenden Nachfrage nach Privateigentum zu rechnen. Dies gilt insbesondere auch für renovationsbedürftige Immobilien. Hier kommt neben den gestiegenen Zinskosten auch die in den letzten Jahren permanent gestiegenen Immobilienpreise und nicht zuletzt auch die höhere Bauinflation zum Tragen. Von einer Abkühlung der Situation auf dem Immobilienmarkt ist auszugehen.

Der Rückgang der Nachfrage dürfte sich dabei in einer ersten Phase vor allem in strukturschwächeren Regionen und weniger in urbanen Zentren bemerkbar machen. Zumindest ein Anstieg der Immobilienpreise im Ausmass der Vorjahre erscheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich. Allerdings ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht von einem Einbruch des Immobilienmarktes zu rechnen.

Absolute Hypozinsen tiefer als 2008

Nachfrageseitig ist zu beachten, dass auch nach dem jüngsten Zinsanstieg die absoluten Zinsen weiterhin deutlich unter den vergleichbaren Werten aus dem Jahr 2008 sind. Gemäss Ausführungen der SNB ist der Satz für eine fünfjährige Neuhypothek auch Mitte 2022 nur rund halb so hoch wie zu Beginn des Jahres 2008. Es gibt aber auch Anzeichen, dass sich die Bautätigkeit auf dem Immobilienmarkt der Schweiz aufgrund der eben beschriebenen Entwicklung verringert hat. Damit ist die Prozyklizität des Baugewerbes ein weiteres Mal bestätigt.

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